Motown-Songwriter Barrett Strong ist tot
Er sang »Money (That’s What I Want)«, den ersten Hit für die junge Firma Motown. Später prägte er das Soul-Label als wichtiger Songwriter. Nun ist Barrett Strong gestorben.
30.01.2023 – Quelle Spiegel.de
Foto: Charlie Gillett Collection / Redferns / Getty Images
Für einen Songwriter dürfte es eine große Ehre sein, wenn er selbst in einem Song gewürdigt wird – auch wenn der Gewürdigte wohl eher nicht mitbekommen haben dürfte, dass die Hamburger Soul-Beat-Mod-Popband Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ihn mit diesen Zeilen besang: »Und wäre die Welt perfekt und wär sie ein Song / dann von Holland/Dozier/Holland oder Barrett Strong«.
Barrett Strong, einer der Sänger aus der Gründungszeit des legendären Motown-Labels und einer der begabtesten Songschreiber der Detroiter Plattenfirma, ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Sein Tod wurde vom Motown Museum über dessen Präsenz in den sozialen Medien öffentlich gemacht. Eine Todesursache wurde zunächst nicht bekannt.
Dass Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen Strong in einem Atemzug mit dem berühmtesten Songwritingteam des Labels – Holland/Dozier/Holland –nennen, hat nicht nur Gründe der Metrik und des Reims: Barrett Strong war als Songwriter beteiligt an einer ganzen Anzahl von absoluten Klassikern der Soulgeschichte – häufig im Team mit Norman Whitfield. Nur drei Beispiele: »I Heard It Through the Grapevine«, ein Evergreen für Marvin Gaye; der Anti-Kriegs-Song »War«, gesungen von Edwin Starr; und »Papa Was a Rollin‘ Stone«, ein Epos aus der psychedelischen Phase der Temptations.
»Barrett war nicht bloß ein großartiger Sänger und Pianist, sondern er hat zusammen mit seinem Schreibpartner Norman Whitfield ein unglaubliches Werk hinterlassen«, sagte der Motown-Gründer Berry Gordy in einem Statement zum Tode Strongs.
Er sang den ersten Motown-Millionenhit
Barrett Strong war noch keine 20 Jahre alt, als er seinem Freund Gordy erlaubte, ihn zu managen und seine Musik zu veröffentlichen. Innerhalb eines Jahres wurde er zum Teil der Geschichte des Motown-Labels, das den »Sound of Young America« der Sechzigerjahre prägen sollte. Der von Barrett Strong gesungene Titel »Money (That’s What I Want)« wurde 1960 zum ersten Millionenseller des jungen Labels, zum ersten großen Motown-Hit.
Als Sänger kam Strong dem Erfolg von »Money« nie mehr auch nur nahe. Jahrzehnte später bemühte er sich darum, als Co-Songwriter des Titels anerkannt zu werden. Anerkennung als Songwriter erhielt er aber für seine Arbeit mit Norman Whitfield.
Das Duo Whitfield/Strong war vielseitig; die beiden schrieben einerseits Balladen wie »I Wish It Would Rain« und »Just My Imagination (Running Away with Me)«. Andererseits gelang ihnen mit »I Heard it Through the Grapevine« ein Uptempo-Hit für Gladys Knight & the Pips, der in der dunkleren Version von Marvin Gaye aus dem Jahre 1968 zum Motown-Klassiker wurde.
Besonders prägend für das Label wurden die Whitfield/Strong-Titel in den späten Sechzigerjahren, als der gesellschaftliche Kontext weniger nach netten Liebesliedern rief, sondern politisch und lebensweltlich einiges in Aufruhr geriet. Den Soundtrack lieferten etwa ihre Songs für die Temptations, »Cloud Nine« oder »Psychedelic Shack« etwas. Und natürlich die Protesthymne für Edwin Starr mit dem viel zitierten Refrain »War! What is it good for? Absolutely … nothing!«
Beim Songtext für »War« schöpfte Barrett aus Erfahrungen seines persönlichen Umfelds, so war ein Cousin in Vietnam schwer verletzt worden. »Man redet über so was in der Familie, und es inspiriert einen, etwas dazu sagen zu wollen«, sagte Strong 1999 dem Magazin »LA Weekly«.
»Lieder leben länger als Menschen«
Immer wieder wurden Strongs Songs gecovert, von den Rolling Stones und Aretha Franklin, von Bruce Springsteen und Al Green. Der englische Sänger Paul Young hatte seinen ersten Hit mit dem Cover einer Marvin-Gaye-B-Seite, die Whitfield und Strong mitkomponiert hatten, »Wherever I Lay My Hat«. Norman Whitfield starb bereits 2008.
Barrett Strong kam in West Point, Mississippi zur Welt, einige Jahre später zog er mit seiner Familie nach Detroit. Er brachte sich selbst das Klavierspielen bei und gründete eine Gospelgruppe mit seinen Schwestern, die Strong Singers. Als Teenager lernte er Aretha Franklin, Smokey Robinson und Berry Gordy kennen.
»Lieder leben länger als Menschen«, sagte Barrett Strong der »New York Times« 2013
. Aus seiner Sicht waren die Verlagsrechte die eigentliche Basis für den wirtschaftlichen Erfolg von Motown. »Die Platten waren bloß ein Vehikel, um die Songs unter die Leute zu bringen«, sagte er, danach stecke das wahre Geld in den Rechten an den Liedern. »Wenn du die Rechte abgibst, gibst du dein Leben ab, dein Vermächtnis. Wenn du nicht mehr bist, werden die Lieder immer noch gespielt werden.«
Plattenlabel Motown – Da hat es Pop gemacht
Hits, Hits, Hits: 1959 startete das Plattenlabel Motown von Detroit aus eine Pop-Revolution. Mit schwarzem Soul für weiße Hörer machten Motown-Stars wie Diana Ross, die Jackson Five oder Stevie Wonder das Label zur Legende. Heute dürfen dort auch C-Stars wie Lindsay Lohan trällern. Von Thomas Soltau
Eine laue Septembernacht in Detroit 1960. Aus den Autofabriken, die das Bild der Stadt dominieren, dringt das monotone Stampfen der Maschinen – der Sound der „Motor City“. Doch in dieser Nacht mischen sich noch ganz andere Töne darunter, für die Detroit bald ebenso berühmt sein wird: Aus einem kleinen Gebäude am West Grand Boulevard erklingt ein neuer Beat, der den Kosmos der Popmusik verändern wird.
Es ist das Haus von Berry Gordy. Im Erdgeschoss liegt das Studio seiner neugegründeten Plattenfirma, im ersten Stock schläft die Familie. Sänger Smokey Robinson und seine Band The Miracles sehen um 4 Uhr früh nicht so aus, als würden sie ausgerechnet hier und heute Welthits einspielen. Doch Label-Chef Gordy kennt kein Pardon. Dem bereits produzierten Track „Shop Around“ fehle der nötige Kick, doziert Gordy. So schaffe er es nie an die Spitze der Charts.
Also legen die vier schwarzen Musiker wieder los, spielen eine neue Version ein. Smokey Robinson legt mit seiner Combo einen inbrünstigen, mehrstimmigen Harmoniegesang über den pulsierenden Bass, dazu treibt das Schlagzeug mit Dampf den Song voran. Das ist Soul, ein Beat, der jeden zum Tanzen verführt. Als die Musiker endlich ihre Instrumente einpacken, scheint draußen längst die Sonne.
Gnadenlose Schleiferei für den Erfolg
Die nächtliche Session hat sich gelohnt: Sie wird die Geburtsstunde eines der erfolgreichsten Plattenlabels der Musikgeschichte: Motown. „Shop Around“ stürmt am 16. Januar 1961 die Spitze der amerikanischen R&B-Charts und Platz zwei der Billboard-Hot-100-Charts. Viel wichtiger für Geschäftsmann Gordy: Die Platte verkauft sich mehr als eine Million Mal.
Smokey Robinson muss heute bei dem Gedanken lachen, mitten in der Nacht ins Studio beordert zu werden. „Sagen Sie das mal zu Madonna, die erschießt Sie auf der Stelle. Für uns waren diese Sessions im Takt der Nachtschicht nichts Ungewöhnliches“, erinnert er sich. „Berry stand vor Motown für die Ford-Werke am Fliessband – das dort gelernte Prinzip übertrug er einfach auf die Musik.“ Dem Label-Gründer sei es bei allen Entscheidungen stets um Erfolg gegangen – und er habe auch fast immer Recht behalten. „Selbst fertige Singles wurden, wenn sie nicht liefen, vom Markt geholt und dann durch neue Versionen ersetzt – er war da gnadenlos.“
Gefürchtet war deswegen auch die Qualitätskontrolle, der Gordy alle Platten in den Freitagskonferenzen des Labels unterzog. Allein der Chef entschied, welcher Song veröffentlicht wurde und welcher nicht. Aus seinem Ziel und seinem Anspruch machte der damals 29-Jährige dabei nie einen Hehl. Über seinem Haus brachte Gordy als Mission-Statement ein Schild mit der Aufschrift „Hitsville USA“ an – es sollte alle Künstler daran erinnern, warum sie rund um die Uhr in sein Studio kommen konnten: Hits, Hits, Hits – am besten ohne Pause.
Der Hexenmeister der Popmusik
Und Gordys Besessenheit machte sich bezahlt. Mit gerade mal 800 Dollar Startkapital hatte er 1959 zunächst Tamla Records gründet, 1960 kam das Motown-Label hinzu, dessen Name ein Tribut an seine Heimatstadt war. 28 Jahre später verkaufte Gordy Motown an den Branchenriesen MCA – für 61 Millionen US-Dollar.
Dazwischen lag eine beispiellose, von vielen Neidern begleitete Karriere, in der Gordy zum Hexenmeister des Pop avancierte. Detailversessen sezierte er erfolgreiche Popsongs, um ihr Hitpotential herauszudestillieren. Diese Fähigkeit machte den Musikfanatiker schließlich zu einem der einflussreichsten Pop-Produzenten überhaupt – und Motown Ende der sechziger Jahre zum größten von einem Afroamerikaner geführten Unternehmen in den USA. Bei Motown standen die Top-Stars der Ära unter Vertrag: Smokey Robinson & the Miracles, The Marvelettes, Diana Ross & the Supremes, The Temptations, Martha Reeves & the Vandellas, Stevie Wonder, The Jackson Five – eine Armee begnadeter Künstlern, die das Publikum von Detroit aus mit süßestem Soul bombardierten.
„Jeder wusste, was er zu tun hat“, erzählt Smokey Robinson, der 1961 zum Vizechef von Motown aufstieg. „Songwriter, Musiker und Sänger funktionierten wie aufeinander abgestimmte Zahnräder. Wenn unsere Autoren Holland-Dozier-Holland ihre Songs geschrieben hatten, sprang die Maschine an. Bei zwei Songs am Tag alleine von diesem Trio kann man sich vorstellen, dass die Studios ständig besetzt waren.“
Schwarze Hits für weiße Hörer
Dabei ging es Berry Gordy noch um mehr als nur um die Qualität der Musik. Er wollte mehr als nur gute Songs machen – er wollte schwarzen Soul an weiße Hörer verkaufen, am besten millionenfach. Und es gelang ihm: „Unter Schwarzen gab es die Redensart, dass Weiße nie lernen würden, zum Takt der schwarzen Musik zu klatschen“, erinnert sich ein Mitarbeiter des zweiten großen amerikanischen Soul-Labels Stax. „Was Motown machte, war ganz gerissen. Sie schlugen den weißen Kids den Beat einfach um die Ohren. Das hörte sich für uns bei Stax zwar nicht mehr nach Soul an, aber Mann – es verkaufte sich!“
Nichts überließ Kontrollfreak Gordy auf dieser Mission dem Zufall. Für ihn war klar: Um bei Weißen erfolgreich zu sein, mussten seine Künstler, bewusst oder unbewusst, ihre schwarzen Wurzeln verdrängen. Er ließ sie in Benimmkursen drillen, damit ihre Umgangsformen denen des gehobenen, weißen Zielpublikums der sechziger Jahre entsprachen.
Als Gegenpol zum aalglatten Pop des großen Rivalen entwickelte das Label Stax aus Memphis mit dem Memphis-Soul zur gleichen Zeit eine Variante, die nicht nur auf die weiße Hörerschaft abzielte. Während Motown mit aufgemotzter Lametta-Mucke die Charts stürmt, setzt sich bei Stax Records die abgespeckte Variante durch: erdig, schwül und voller Feuer. Die Protagonisten bei Stax hießen Otis Reding, Sam &Dave oder Issac Hayes. Mit rohem, ungeschliffenen Soul und multikulturellen Bands etabliert sich Stax vor allem bei den schwarzen US-Amerikanern. Nicht zuletzt deshalb, weil Stax das Recht auf die eigene soziale und kulturelle Identität der Schwarzen im Alltag mit gemischtrassigen Bands vorlebte.
Das Ende des zuckersüßen Souls
„Unser Verhältnis zu Künstlern von Stax war immer entspannt“, sagt Smokey Robinson. Und fügt grinsend hinzu: „Wir waren ja auch viel erfolgreicher.“ Tatsächlich war Motown in den gesamten Sechzigern für die breite Öffentlichkeit fast schon das Synonym für schwarzen Soul. Songs wie „Stop! In the Name Of Love“, „You Keep Me Hangin‘ On“ von den Supremes oder „Heat Wave“ von Martha & the Vandellas wurden zu absoluten Klassikern des Genres – grandioser Soul-Pop ohne Verfallsdatum.
Doch auch die schönste Zeit endet irgendwann. Anfang der Siebziger waren die Charts überschwemmt mit kariösen, zuckersüßen Drei-Minuten-Popperlen, die kaum noch in die Zeit passten. Angesichts des Vietnam-Kriegs und einer aufgeladenen politischen Stimmung in den USA verlangte das Publikum Anfang der Siebziger nach mehr Inhalt anstatt der ewigen Boy-meets-Girl-Platitüden. Und Gordy reagierte: Mit Edwin Starrs Antikriegslied „War“ 1970 surfte Motown auch auf dieser Welle. 1971 nahm Soul-Legende Marvin Gaye für das Label sein düsteres Meisterwerk „What’s Going On“ auf, unter dessen Einfluss die gesamte Black Music in den Siebzigern eine neue Marschrichtung einschlug.
1972 siedelte Berry Gordy mit seiner Firma nach Los Angeles über. Mit Künstlern wie Lionel Richie und seinen Commodores verbuchte Motown weiterhin Charterfolge. Die Blütezeit des Labels hingegen war zu Ende – trotz Stevie Wonders Welterfolg „Happy Birthday“ von 1980. Das Komponistenteam Holland-Dozier-Holland hatte das Label bereits Ende der sechziger Jahre verlassen und Gordy aufgrund zurückgehaltener Tantiemen verklagte – damit waren die besten Songschreiber bei Motown von Bord gegangen.
Als sein Unternehmen in den achtziger Jahren immer mehr Verluste einfuhr, verkaufte Gordy Motown an MCA, das heute Universal Music gehört. Unter dem Dach des Major-Labels existiert die Marke Motown noch immer. Neben Vorzeige-Acts wie Erykah Badu produziert Motown heute aber auch C-Künstlerinnen wie Lindsay Lohan – die hätte Berry Gordy wahrscheinlich nicht mal als Sekretärin eingestellt.
Quelle: www.spiegel.de
Motown-Legende und Soul-Diva: Diana Ross wird 75
Für sie ist kein Berg zu hoch, kein Tal zu tief – Diana Ross zählt zu den großen Damen des Souls. Am Dienstag wird sie 75 Jahre alt.
Washington. Juni 2002. Bonn. Museumshof. Rappelvoll. Ein Abend mit Diana Ross. Der schwarzen Soul-, Pop-, Disco- und R&B-Diva schlechthin. Der einzige in jenem Jahr auf deutschem Boden. Gemischte Gefühle im Publikum vor dem ersten Ton. Man wusste, es ging ihr nicht gut. Nach 14 Jahren war die Ehe mit dem norwegischen Reeder Arne Næss auf Grund gelaufen.
Und künstlerisch steckte die Frau, der Nile Rodgers und Bernard Edwards das programmatische „Upside Down“ spät auf den sehnigen Leib geschrieben hatten, in der Sackgasse. Zu viel Wein und Tabletten taten den Rest.
Andere Altstars ziehen sich in Abwärtsphasen in ihre Edeldomizile zurück und bleiben der Arbeit fern. Diana Ross ging kurz vorher in eine Entzugsklinik und lieferte am Rhein ein so himmelhoch jauchzend schönes Konzert ab, dass Dabeigewesene noch heute in kleine Freudentänze verfallen.
Wegbereiterin für Whitney Houston oder Beyoncé
Sich daran zu erinnern ist an diesem Dienstag ein besonderes Vergnügen. Die Frau, die in den 1960er-Jahren Sängerin der erfolgreichsten Mädchenband der Welt war und danach eine Solokarriere mit allen Höhen und Tiefen hinlegte, die Frau, die für Janet Jackson, Whitney Houston, Beyoncé und andere den Pfad vortrampelte, wird 75.
Im Sommer geht sie wieder auf Tournee (leider nur in Amerika) und blättert durch ein künstlerisches Werkbuch, das Generationen eng am Herzen tragen.
Nicht die beste Sängerin – „aber sie hatte alles andere“
Diana Ernestine Earle Ross wuchs in einer Sozialbausiedlung in der Autohochburg Detroit auf, gospelte im Kirchen-Chor, übte heimlich „Aaahhs“, „Ooohhs“ und „Uuuhhs“ und träumte von einer Karriere als Sängerin. Mit 16 rückte sie Berry Gordy auf die Pelle. So lange, bis der in diesem Jahr 90 werdende Gründer des legendären Motown-Labels ihr und den Freundinnen Florence Ballard und Mary Wilson, die erst unter The Primettes und später unter The Supremes firmierten, eine Chance bot.
„Sie war nicht die beste Sängerin“, erinnerte sich Gordy später, der Ross erst als Sekretärin nahm und später mit ins Bett, „aber sie hatte alles andere – Gefühl, Zerbrechlichkeit, Vitalität“. Eine Mischung, die den Puls der Zeit traf.
14 Nummer-eins-Hits in zehn Jahren
Mit 14 Nummer-eins-Hits binnen eines Jahrzehnts von „Where Did Our Love Go“, „Baby Love“ und „You Can’t Hurry Love“ bis „Stop! In the Name of Love“ und „You Keep Me Hangin’ On“ spielten sich „Die Obersten“ mit ihrem seidenzarten Soulgezirpe und dreieinhalbminütigen Mädchen-trifft-Junge-Dramen in die Gehörgänge auch des weißen Teils der Vereinigten Staaten. Durch die Supremes wurde Ross zur Ikone.
Dass ihr Aufstieg nicht ohne Kollateralschäden vonstatten ging, war im Jahr 1986 nachzulesen. Mary Wilson schredderte in ihrer Autobiografie „Dreamgirl“ den Heiligenschein. Ross war bei ihr ein skrupelloses Miststück, das entweder auf dem Rücken ihrer Kolleginnen oder auf Gordys (er ist der Vater eines ihrer fünf Kinder) Karriere machte.
Für „Lady Sings the Blues“ gab’s die Oscar-Nominierung
Im Jahr 1970 zündete Stufe zwei: Mit „Ain’t No Mountain High Enough“, knapp sieben Sternminuten Erbauungsmusik, startete La Ross ihre millionenschwer dotierte Sololaufbahn. Der waren bis Mitte der 80er-Jahre zwölf weitere Top-Ten-Hits vergönnt, darunter „Chain Reaction“.
Auch im Schauspielfach blühte sie. Für ihre Debütrolle der Billie Holiday in „Lady Sings the Blues“ folgte im Jahr 1973 die Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin. Allein, Liza Minelli gewann. „Cabaret“ war noch eine Spur besser.
Michael Jackson besang sie in „Dirty Diana“
In dieser Zeit festigte sich der Ruf Ross’ als Hohepriesterin des Dekadenten, die ohne perfekt getrimmte Afrofrisur, Echsenhaut-Jeans und daumenlange Wimpern um die Augen nicht vor die Tür geht. Als der Erfolg ausblieb, geriet das Allürenhafte unters Vergrößerungsglas. Bei einer Leibesvisitation am Flughafen in London wurde Ross an die Brust gefasst. Was ein Handgemenge und den Einzug ihres Rückflugtickets auf der Concorde zur Folge hatte. „Dirty Diana“, wie Michael Jackson sie in einem Song verewigte, scherte sich nicht drum. Kein Berg hält sie auf, kein Fluss zurück.